Ich will das nicht lesen, ich mag Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht, diese vielen kleingedruckten Wenn und Aber. Weg damit.
Das war in etwa meine Antwort auf die Frage der freundlichen Chefin des Fitness-Studios, ob ich zufrieden sei mit ihrem Service. Ich bin zufrieden. Nur eben nicht mit der Existenz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die auf der Rückseite des Vertrags aufgedruckt sind, den ich unterschrieben habe, um die Kosten für eine Mitgliedschaft meiner Mitarbeiter im Fitness-Studio zu übernehmen.
Dass ausgerechnet ein Unternehmer die Notwendigkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Frage stellt, brachte die Fitness-Expertin etwas aus der Fassung. „Aber bei Ihrem Unternehmen gibt es doch sicher auch Allgemeine Geschäftsbedingungen“, warb sie um Verständnis.
Einzige Regel: Der Kunde hat immer recht.
Richtig. Die gibt es. Ich kenne sie sogar komplett auswendig und erwarte das übrigens auch von allen meinen Mitarbeitern. Was nicht allzu herausfordernd ist, denn unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestehen nur aus einem einzigen Satz. Und der lautet: „Der Kunde hat immer recht.“ Basta. Damit sind alle Eventualitäten abgedeckt.
Aber es könnte doch dieses und jenes passieren. Dann könnte sich der Kunde beschweren, Geld zurück verlangen oder Schadensersatz fordern, geben Skeptiker zu bedenken. Zumindest diese Situation oder jenes Ereignis müsse man ausschließen.
Zugegeben: Es gibt kein effektiveres Mittel, unangenehme Vertragsbedingungen unauffällig zu verpacken und sich gegen jede mögliche Beschwerdesituation zu wappnen, als die Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Kloputzen für WLAN-Nutzung
Denn wer liest schon die Allgemeinen Geschäftsbedingungen? Darin kann man den Kunden tatsächlich alles unterjubeln. Zum Beispiel ein Ehrenamt als Kloputzer: So geschehen bei einem Festival in Manchester diesen Sommer. Als Gegenleistung für die freie WLAN-Nutzung verpflichteten sich die Festival-Gäste gemäß der Allgemeinen Geschäftsbedingungen dazu, 41,7 Tage lang unentgeltlich Dixi-Toiletten zu putzen. Über den kleinen Scherz im Kleingedruckten des WLAN-Anbieters hatte unter anderem die Tageszeitung „Die Welt“ im Juli berichtet.
Man kann davon ausgehen, dass keiner der Festival-Besucher die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelesen hatte, denn alle hatten sie kommentarlos die Bedingung akzeptiert: 22.000 potenzielle Kloputzer. Kein schlechtes Ergebnis.
Ganz ehrlich: Ich hätte vermutlich ebenfalls zur Putzkolonne gehört. Glück für mich, dass solche extremen Vertragszusätze zumindest in Deutschland wenig Bestand haben.
Verzicht auf Allgemeine Geschäftsbedingungen
In meinem Unternehmen gibt es tatsächlich keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Und zwar aus drei einfachen Gründen:
1. Nicht aufrichtig dem Kunden gegenüber
Weil es nicht aufrichtig ist gegenüber dem Kunden, Einschränkungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verstecken. Wir verpflichten uns in unserem Unternehmen zur Einhaltung von Werten, die auf dem christlichen Menschenbild basieren – das ist unser einziges Kleingedrucktes. Darauf finden Sie Positionen wie „Ehrlichkeit“ und „Offenheit“. Und da möchten wir keine Kompromisse eingehen. Hier finden Sie unsere Wertekärtchen von tempus.
2. Kunde ist König, nicht Kloputzer
Wir liefern Produkte, die uns selbst überz
eugen. Wenn es Probleme geben sollte, ist es unser höchsteigenes Interesse, diese Probleme rasch und im Sinne unserer Kunden zu lösen. Der Kunde ist bei uns König. Nicht Kloputzer. Hier sind einige tolle Fotos unserer Kunden.
3. Bumerang-Effekt
Allgemeine Geschäftsbedingungen, die den Kunden benachteiligen, haben einen gefährlichen Bumerang-Effekt.
Ein Bumerang-Effekt bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen? Um das zu verdeutlichen, nehmen wir ein kleines Beispiel aus der Praxis. Eine Folk-Band reist per Flugzeug zu einem Auftritt nach Nebraska. Mit im Gepäck: die Instrumente der Musiker. Am Flughafen in Chicago beobachten Passagiere, wie die Instrumentenkoffer beim Beladen des Flugzeugs vom Flughafen-Personal herumgeschmissen werden. In Nebraska angekommen stellt sich heraus, dass tatsächlich eine Gitarre die unsanfte Behandlung nicht überlebt hat.
Allgemeine Geschäftsbedingungen: Praxisbeispiel
Der Kunde beschwert sich natürlich. Er möchte die Reparatur oder zumindest einen Anteil der Kosten für eine neue Gitarre ersetzt haben. Es geht um etwa 700 Dollar.
Vielleicht war das Instrument aber zuvor schon beschädigt? Vielleicht hätte der Musiker eine extra Versicherung abschließen sollen? Vielleicht ist man gar nicht zuständig, weil die Schuld ja bei den Flughafen-Mitarbeitern liegt? Vielleicht hätte der Künstler die Gitarre als Handgepäck mitnehmen müssen? Da ist er nun, der klassische Fall für die Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Wie auch immer: es gelingt der Fluggesellschaft, sich komplett verantwortungsfrei zu fühlen und die Reklamation ins Leere laufen zu lassen.
Gratulation. 700 Dollar gespart.
So geschehen bei United Airlines im Jahr 2009. Nach einem Jahr vergeblicher Reklamationsversuche gibt Gitarrist David Carroll seinen Kampf um Kostenerstattung frustriert auf.
Und jetzt frage ich Sie: Was genau hat man als Unternehmer denn mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor? Möchte man dem Kunden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen um die Ohren hauen, wenn es zu einer Reklamation kommt? Damit der Kunde abzieht, unzufrieden zwar, aber ohne Geldrückgabe?
Die Rache des Gitarristen
Das Praxisbeispiel geht weiter: Der frustrierte Musiker und seine Band schreiben jetzt einen Song mit dem Titel „United Breaks Guitars“, in dem sie die ganze Geschichte ironisch verpackt erzählen und auf YouTube veröffentlichen. Die Rache des Gitarristen. Der Song verbreitet sich und wird in kürzester Zeit zum Hit. Fernsehsender zeigen Ausschnitte, Carroll bekommt Einladungen von Oprah Winfrey, von CNN und Fox News. Die schlechte PR hat sogar Auswirkungen auf den Aktienkurs der Fluggesellschaft – einen Monat nach Veröffentlichung des „Beschwerdelieds“ fällt der Wert um zehn Prozent. Was einem Verlust von rund 180 Millionen Dollar entspricht. Wow.
Hektisch versucht man bei United nun, den Fehler auszubügeln, bietet dem Musiker plötzlich doch noch Schadensersatz an, 3.000 Euro sogar. Der verärgerte Kunde ist allerdings mittlerweile ein Star geworden und kann über die Summe müde schmunzeln. Ohnehin hat er inzwischen Ersatz für die zerbrochene Gitarre bekommen. Vom Gitarrenhersteller selbst – kostenlos. Die 3000 Euro landen als Spende bei einem gemeinnützigen Verein.
Inzwischen sind rund acht Jahre vergangen. Die zuvor praktisch unbekannte Folk-Band erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit. Rund 18 Millionen Menschen haben bis heute den Song „United Breaks Guitars“ angeklickt. David Carroll verdient außerdem gutes Geld als Sprecher zum Thema Kundenservice und Reklamation, hat zwei weitere Songs über seine Erfahrungen mit United geschrieben und ein Buch mit dem Untertitel „The power of one voice in the age of social media“.
Happy End für den unzufriedenen Kunden, während United sich von der schlechten PR bis heute nicht erholt hat – zumal man mit dem groben Rauswurf eines Passagiers wegen Überbuchung Anfang des Jahres wieder für neue schlechte Öffentlichkeitsarbeit gesorgt hat. „The power of one voice in the age of social media“. Erinnern Sie sich an diesen Satz, wenn Sie die nächste, scheinbar unwichtige Reklamation mit Hinweis auf Ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen abwimmeln möchten.
Sehen Sie hier mein Video, indem ich die komplette Geschichte von United Airlines enthülle …
Streiten Sie nicht mit Kunden!
Die wichtigste Regel bei Reklamationen, die jedem Mitarbeiter bewusst sein sollte, lautet: Streiten Sie nicht mit Kunden! Sie können nur verlieren – und das mit unüberschaubaren Folgen in Zeiten von „Social Media“.
Deshalb erster Punkt heute auf der To-Do-Liste: Ab in den Müll mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Als Alternative für die Allgemeinen Geschäftsbedingungen können Sie gerne auf unsere Wertekarten zurückgreifen, die jeder unserer Mitarbeiter zur Orientierung für den Umgang mit Kollegen und Kunden gleich bei der Einstellung erhält.